Hier wird in der Diskussion immer sehr viel in einen Topf geschmissen, kräftig umgerührt und damit entstehen leider viele Missverständnisse und es werden viele Fehlinformationen ausgetauscht.
Es geht erstmal darum, dass die Kontaktfläche der Nadel über die gesamte Plattenseite so oft wie nur möglich bzw. so gut (aka so lange) wie möglich parallel zur Rillenkante steht. Überall dort, wo das nicht erfüllt ist, hast Du einen sog. Spurfehlerwinkel.
Den Begriff Kontaktfläche hat sicherlich Jeder schon einmal gehört, verortet das aber wohl eher zum Nadelschliff gehörig und verbindet das mit Berichten über mehr Hochtonanteil bei schärferen Nadelschliffen. Dummerweise hört das auch jeder so, auch wenn es aber eigentlich technisch nicht korrekt ist.
Hier gilt, je größer die Kontaktfläche, desto schlanker wird der Diamant an seiner Frontseite und passt damit "besser" aka tiefer in die Rille. Gleichzeitig steht die Kontaktfläche aber dafür, wie viele Informationen tatsächlich von der Nadel aus der Rille aufgenommen werden können. Es ändert sich also zuerst einmal die Qualität des aufgenommenen Signals und das erscheint dann für unser Ohr detaillierter. Das äußert sich dann in erster Linie in der Plastizität und Darstellung und in zweiter Instanz auch darin, dass wenn mehr Details vorhanden sind auch der Bassbereich weniger verschmiert und das wiederum führt dazu, dass der Hochton ebenfalls sauberer wahrgenommen wird.
Es gibt also bei einem schärferen Nadelschliff nicht mehr Hochton sondern nur mehr Details und Plastizität.
Der zweite Aspekt ist, dass die Ausrichtung der Kontaktfläche zur Rille natürlich auch zwei Seiten (einer Medaille) aufweist und sobald wir einen Spurfehlerwinkel haben, der rechte und linke Kanal zeitversetzt abgetastet werden; das aufgenommene Signal hat also eine Phasenverschiebung zwischen rechts und links und das führt zu "Fehlern" in der Plastizität und Räumlichkeit.
Deshalb ist es wichtig, dass nicht nur die Kontaktfläche der Nadel so lange wie möglich parallel zur Rillenflanke steht sondern auch der Nadelträger immer perfekt mittig in der Rille und gleichzeitig auch perfekt parallel zu den Rillenflanken steht. Deshalb sollte man den Tonabnehmer auch nie in der Headshell verdrehen und deshalb stellt man auch sinnvoller nach Überhang und nicht nach Kröpfung ein.
Und nun kommen wir zu der Geometrie und was angeblich bzw. nach Theorie sinnvoller aussieht. Ich habe da vor längerer Zeit mal eine Kalkulationstabelle mit all den wichtigen Formeln und Berechnungen rund um Tonarme erstellt und diese auch schon mehrfach in Foren geteilt:
Cartridge Resonance Elevator & Tonearm good to know facts Calculator
Hier könnt Ihr Euch z.B. für Euren Tonarm die Verzerrungskurve für die einzelnen Geometrien ausrechnen und auch graphisch anzeigen lassen.
Für den MA-505 MKII sieht das dann z.B. so
Das sieht jetzt auf den ersten Blick übrigens immer wilder aus als es ist. Um das mal zu übersetzen habt Ihr bei einem MA-505 MKII im Maximum über die gesamte Schallplattenseite bei egal welcher Geometrie immer weniger als 0,6% Verzerrungen und das was sich zwischen den SetUps unterscheidet ist an welcher Stelle der Schallplatte die Verzerrungen anfangen zu steigen und wieder zu fallen. Die 0,05% Unterschied in der Intensität dieser Verzerrungen fallen zudem gar nicht ins Gewicht, weil Eure Lautsprecher immer um die 10% und mehr an Verzerrungen hinzufügen. Diesen marginalen Unterschied in den Abtastverzerrungen wird man also gar nicht heraushören können.
Dann sagt natürlich die gute alte Mathematik und eigentlich auch schon der Pythagoras, dass ein längerer Tonarm immer weniger Spurfehlerwinkel aufweisen wird. Warum das wichtig ist , habe ich versucht im Beitrag weiter oben zu erklären und herzuleiten, auf was man beim Hören achten muss auch.
Zu guter Letzt ist das nur die vereinfachte, geometrisch korrekte aber halt nur zweidimensionale Betrachtung. Eigentlich ist das ein dreidimensionales System und aus der Rillentangente wird eine Tangentialebene und aus dem Nadelträger quasi ein Tensor. Die Zusammenhänge bleiben aber dem Grunde nach genau so wie oben dargestellt.
Der ganze Spaß hat aber auch einen Knopf.
Es geht nämlich auch gleichzeitig noch um die Variation der Auflagekraft während der Abtastung und diese hängt z.B. auch davon ab, wie weit das Gegengewicht vom Drehpunkt/ Pivot entfernt ist, welches Gesicht das Gegengewicht aufweist und welches Gewicht der Tonabnehmer sowie die Headshell nebst Schräubchen aufweisen. Noch besser wäre es, wenn der Tonarm nicht nur eine gewisse Länge sondern auch noch eine dynamisch wirkende Auflagekraft und damit im Resultat faktisch keine Variation der Auflagekraft während der Abtastung aufweisen würde.