DIAMONDS HADDER : "Beyond the Breakers"
Artist: Diamonds Hadder
Herkunft: Los Angeles, USA
Album: BEYOND THE BREAKERS
Genre: Heavy Metal, Prog-Metal,NWoBHM
Spiellänge: 54 Minuten
Release: 22.11.2024
Label: No Remorse Records
https://www.noremorse.gr/
Covermotiv abfotografiert aus Amazon Music Unlimited
Bandmitglieder:
Gesang, sowie alle Instrumente – John Evermore
Tracklist:
City of fire
200 North
Long is the road
Evermore
Master of Illusion
Rivers End
Ballad of the dead rabbit
Hm. Was ist das denn nun wieder? Ein Plattencover, daß ich nicht wirklich verstehe und mir fehlt die Fähigkeit einzuordnen, was für eine Musikrichtung sich dahinter verbergen könnte. Da steht ein Mann in einer Mischung aus Ritterrüstung und Samuraikostüm - vor ihm sieht man einen Wolf mit langen Ohren und irgendwelche kleine Gestalten (Dämonchen/Maulwürfe?) sind zu Hauf dahinter. Wirklich "raffen" tue ich nicht, was da geboten wird. Das Plattencover hinterläßt bei mir einen düsteren bis nachdenklichen Eindruck, im Hintergrund scheint es wolkenverhangen und einige Vögel flattern schier verzweifelt ihres Weges. Im Laden wäre ich wohl eher daran vorbeigeschlendert. Oder doch nicht? Irgend etwas Besonderes bringt diese Zeichnung mit sich, die Farben, was mag nur für eine Musik dahinter stehen - und was für ein Konzept?
Der Interpret sagte mir auch rein gar Nichts. Und das, obwohl ich wirklich seit fast 5 Jahrzehnten täglich meine Metalsuppe mit den Ohren löffle - und das lange und ausgiebig
OK, wißbegierig kniee ich mich in die Promotioninfos herein - No Remorse records fassen es kurz und in englisch . Im Prinzip entfacht meine Neugierde schon, wenn ich nur den Namen dieses Labels lese -
ich erinnere mich über die Jahre an keinerlei Künstler zurück, der bei denen unter Vertrag steht, und nicht irgendwie auf meiner persönlichen Geschmacksbaustelle tanzt. Die hauen Sachen entgegen dem Mainstream raus, daß ich oftmals vor Verzückung zu entrücken drohe und das goße Grinsen kriege.
No Remorse verfügen über ein Händchen für kleine und edle Perlen. Punkt. Ach, der steht ja eh schon da.
No Remorse stehen für äußerst bodenständige, ja erdige und satte old school Heavy Metal Produktionen mit meistens zurückhaltenden Becken in den Drums besonders röhrigen Gitarrenfeuerwerken und äh - ich sag mal amtlich roughen Vocals.
Ich staune bei den wenigen Zeilen der Promoinfo über Diamonds Hadder nicht schlecht- es handelt sich um einen Einzelkämpfer namens John Evermore - der da im Alleingang das ganze Album komponierte und einspielte. So etwas trifft man seltener vor und erinnert mich an meine eigene Zeit, als ich noch Musik recordete. Wenn man alles selbst macht, weiß man, daß es richtig gemacht ist (oder auch nicht) . Sozusagen selbst ist der Mann. Man kann seine Kreativität ungeheuer gut ausleben, wenn man sich die Bälle selbst zuspielen kann. Eine Band bedeutet immer auch die zwischenmenschliche "Sache" und die "Egos" mit einzubeziehen und sehr oft kommen Kompromisse dabei heraus, mit denen der eine oder andere nicht glücklich wird. Aus eigener Erfahrung könnte ich da Bücher schreiben. Insbesondere und gerade in den 80er Jahren versuchte ich selbst viel Musik zu realisieren und es ging einfach nicht, weil das Ego meiner Mitmusiker und deren Wünsche nicht kompatibel waren und wie oft sehnte ich mich dann danach einfach alles in Personalunion durchziehen zu können. Damals, wenn man nicht gerade ein Genie und Multitalent war - unmachbar - als Gitarrist und Bassist raffte ich trotz der vielen Versuche nie, wie man gescheit singt oder die Drums bedient-
Heute gibts die tollen technischen Hilfsmittel - wie komplett programmierbare Instrumente - nicht nur Drum Computer, sondern wirklich real anmutende generierte Drums, bei denen man sogar den Menschlichkeitsfaktor mit einfließen lassen kann mitsamt all seinen Ungenauigkeiten. Einzelkämpfern tun sich heute im Studio ungeahnte Möglichkeiten auf, selbst Gitarren und Bässe lassen sich recht lebensecht erzeugen.
Ich vermute, nirgends werden die Jobs so oft gewechselt, wie im Musikerbusineß - eben weil die persönlichen Vorstellungen über die Umsetzung der jeweiligen Projekte oftmals stark auseinanderdriften - heute noch schlimmer als damals - da man heute noch befindlicher erzogen wird und Individualisierung und Selbstverwirklichung sucht. Eine Band am Laufen zu halten - und das über gefühlt ewige Zeiten - wie Iron Maiden - Scorpions - oder andere Riesen - ist eine wirklich aus meiner Sicht unfaßbare Großtat - vor der ich das Haupt neige und mich verbeuge. Vier Musiker und mehr - dauerhaft zusammen zu bringen - und in der Seelensprache der Musik zu vereinen - und Dinge langfristig durchzuziehen - ist mehr als nur eine Fleißaufgabe und genau dieser Umstand ist leider den meisten Hörern, Fans und Genießern nicht bewußt. Die wundern sich nur über die Personalkarussels bei ihren Lieblingsbands und meckern, wenn der neue Sänger nicht so klingt, wie der alte
Jon Evermore zieht hier also ein komplettes Debüt im Alleingang durch und No Remorse signen das und vertreiben hierzulande über High Roller - soweit ich das überblicke - Hut ab!
Die weiteren infos sind recht spärlich - es geht wohl in erster Linie um die intime Erfahrung mit der Musik als Lebenshilfe - um Rettung und Erlösung, Träume und Prophezeiungen und der Ankunft eines Jonathan Hadder- da steckt offensichtlich viel Herzblut drin und hier wird ganz tief in die Gefühlswelt eingetaucht und eine Metal-Geschichte und eigene Welt performt.
Spätestens beim Name-dropping der Einflüsse von Herrn Evermore gibts bei mir kein Halten mehr: Rainbow, Queensryche, Dio, Savatage und Fates Warning.
Alles ganz dicke Brocken, die ich seit Jugend an mit höchster Freude und Genuß konsumiere.
OK - die Erwartungen sind hoch, die Mucke startet:
City of fire leitet mit einem Erzähltext ein, den man eigentlich via seperaten Tracking als Intro mit eigenen Titel hätte benennen können, wie andere das in der Regel so zelebrieren , klagende Streicher und jammerndes Klavier mündet in dem lachenden Satz: Kill them all!
Und dann stürzt die Welt über den gewogenen Hörer ein, ich krieg Gänsepelle, preschende drums und schreiende Gitarren und kurz darauf startet der Gesang mit einer Stimmgewalt, die mich an den leider so früh verstorbenen Ronnie James Dio erinnert.
Klasse, das ganze mündet recht schnell schier orchestral und bombastisch in den Refrain City of Fire - ich komme mir vor wie in einem Düsenjäger der abhebt und gegen Himmel fliegt.
Der Track hat einen erheblichen Speed und ist der perfekte Einstieg ins Album - der Refrain entpuppt sich als Ohrwurm - schon ist man gegen Titelmitte musikalisch im freien Fall, gerade dann wenn man sich auf der sicheren Seite wähnt- und meint das Himmelszelt zu durchbrechen -
wechselt der Track energetisch in den Schwebezustand - man weiß gar nicht, was einen nun wirklich erwartet und die Rückkehr zum Refrainthema ist geschickt arrangiert, samt der eingespickten frickelnden Sologitarre und dem ständig wuselnden Bass.
Hie und da obendrein perfekt punktuierte orchestrale Einwürfe - da weiß einer was er macht!
Man hört schon heraus, das wurde nicht in einem Mega Millionen Dollar Studio erschaffen, sondern klein vom Budget gehalten - aber genau das tut der Scheibe gut. Ich kann euch leider nicht einmal genau erzählen - mir fehlen jegliche inputs - ob das via modernen Drum Computern und programmierbaren Synths realisiert wurde - oder aber wirklich reingehauen auf Instrumenten - spielt auch keine Rolle, denn man kann das heute derart gut machen - und die Technik ist so weit - daß es fundamental zündet. Von meiner Hörerfahrung als Hobbytondruide würde ich aber behaupten wollen, daß hat Herr Evermore wirklich in Fleisch und Blut eingetütet. Old School. Da ist noch Schweiß in Strömen geflossen.
Zum Schluß des ersten Tracks gibts nen gehörigen Wums und sich hysterisch steigernde Stimmen - cool-
danach wird man voll ins kalte Wasser geschmissen.
200 North heißt der zweite Track-
der eigentlich ein 55 Sekunden Intro zu Long is the road darstellt, und mich an Soundeffekte aus Blade Runner erinnert . (ob den Film noch einer von euch kennt- 1982 - lange her ) Der Einstieg ins metallische Hauptthema des dritten Tracks will für mich dann erstmal gar nicht passen und ist wie ein kleiner Schock - ein Fall ins kalte Wasser - aber dennoch richtig gut.
So in etwa würde ich mir es vorstellen, wenn Benjamin Wallfisch oder Vangelis einen Song von Blaze Bailey mit einem Intro einleiten sollten .
OK, bis hierhin - innovativ - und mit Überraschungseiern versehen. Zum Hasen kommen wir noch am Schluß - was ich jetzt noch nicht ahne.
Long is the road ist dann auch recht abwechlsungsreich durchkomponiert - erinnert mich an einige Sachen von Blaze -ja irgendwie eigenständig - und dennoch vertraut- man bekommt die schönen Gitarrenlinien geliefert der NwobHM -
diesen herrlich opernhaften Gesang, der zwischen den Großen hängen bleibt wie Fates Warning und Maiden und Blaze - und es gibt wirklich herrliche Wendungen zwischen "geht ab wie Sau" und Schwebezustände "ala Ballade", viele feine Momente werden herausgearbeitet - zum Schluß wird gar sehr gewagt bis unpassend - mit Megahall auf den Voices- ein recht kläglicher Schrei als Stilmittel eingeworfen.
All das wäre wahrscheins so 1:1 - nach meiner Erfahrung - mit einer kompletten Band - so nicht gemacht worden. Nicht nur weil es ungewöhnlich kombiniert wird, sondern auch, weil es kein wirklich dominantes Instrument gibt. Alles erscheint in gleicher Weise "wichtig".
Weiter gehts- Evermore-
ein Schelm wer sich was dabei denkt, ob da jemand über sich selbst singt
He is a king to evermore
cooler Refrain, satte und wirklich klassische Gitarrenriffs - besser kann man Hard Rock und Metal kompositorisch kaum machen - das zündet und Herr Evermore hat von der Stimme eigentlich fast alles drauf, was die Skala hergibt - klingt nie wirklich angestrengt und kann sowohl rauh und bauzig als auch opernhaft "Dickinsonmäßig" - auch wenn er fast in Erzählmodus schaltet - paßt das.
Jeden überzeugen wird es nicht, weil die Leute halt die Originale im Kopf haben, an die Evermore sich anlehnt - und da kombiniert er halt - und wer festgelegte Vorstellungen besitzt - wird sich immer auf einen Sänger beziehen im Vergleich und das wird Herrn Evermore nicht gerecht, er deckt ein recht breites Spektrum ab und kann ähnlich vieler guter Sänger performen und nutzt das um im Mikrokosmos, um einen eigenen Style aufzufahren.
Mit dem Track Evermore sind wir dann auch sehr mutig unterwegs - eine viertel Stunde Spielzeit!
Hier gibts schon einige Stellen, an denen ich mir persönlich weniger Längen gewünscht hätte - aber das funktioniert dennoch alles sehr gut.
Man darf nicht vergessen, daß das Album eine kleine Produktion darstellt - die versucht groß zu klingen - um nach dem Debüt mehr bieten zu können - so jedenfalls mein gefestigter Eindruck nach mittlerweile einem halben Dutzend Hördurchgängen.
Der Herzschmerz und die Power kommen schon rüber - aber das letzte bischen "Mega Power" vermisse ich an dieser Stelle dann doch noch ein wenig.
Im Prinzip versucht Herr Evermore in Evermore wohl etwas in Richtung der alten Queensryche zu performen - und legt einen Mix von Dickinson, Alder und Tate vor von der Gesangsleistung.
Ich selber hätte etwas weniger Tasteninstrumente eingesetzt - und wäre mehr mit den Gitarren vorangeprescht
Aber das ist gut, keine Frage! Nur anders als von mir gewohnt.
Und dann breitet sich Master of Illusion wie eine Wall of Sound im Zimmer aus - was eine Hommage an die X-Factor von Iron Maiden - diese herrliche stylistische typische Steve Harris Bass Einlage zu Beginn und dieser mönchmäßige Sprechchor am Anfang, da wird erst gar nicht versucht zu verstecken, woher die Roots kommen. Dennoch nimmt das Stück recht schnell eine andere Wendung - und es geht von den drums eher verschachtelt in Fates Fates Warning Gefilde -
auch hier besonders stark die Leistung bei den Vocals. Hier gehts ähnlich episch zu wie 1995 bei Iron Maiden und dem Sign of the cross, wir kommen auf über 11 Minuten Spielzeit!
Theatralische Schreie - unterlegt mit Hall - wie "Oh my god!!!" bringen richtig Gänsepelle - zwischendrin auch mal Erzählstimme und es geht alles recht flott voran. Von den Effekteinstellungen durfte ich Bruce Dickinson bei den Halleinstellungen sehr ähnlich erleben - 80er Jahre eben - ja, das macht Laune. Evermore zieht vom Gesang wirklich tolle Sachen ab - manche Choreinlagen zünden dennoch bei mir nicht richtig und wirken etwas unbeholfen.
Aber insgesamt eine wirklich sehr gute Leistung. Das Ende ist wirklich theatralisch und der gute John schreit sich die Seele aus dem Leib . Die Gesangsleistung ist wirklich unfaßbar gut!
Trauernd wie in einer Dio Ballade geht es in den vorletzten Track: Rivers End
Das hätte wirklich sehr ähnlich in den 80er Jahren von Dio stammen können. John Evermores stimmliche Darbietung - ob er mal mehr in Richtung Dio, Dickinson, Bayley oder Alder performt - ist immer souverän und glaubwürdig.
Rivers End wirkt erstmal beruhigend und gibt dem geneigten Hörer eine Verschnaufpause, bis gegen Mitte des Tracks die Drums voll loskesseln und wieder richtig Leben auf die Bude gezaubert wird, wobei Evermore ein Händchen dafür hat einen Song in Richtung Ekstase zu steigern. Live würde das mit Sicherheit super funktionieren.
Und dann diese herrlichen Retro Soloeinlagen bei den Gitarren, sie passen eigentlich in die frühen 70er Jahre und kommen mit sehr wenig Distortion aus.
Zum Ausklang dann die Ballad of the dead rabbit.
Jetzt verstehe ich endlich, was die kleinen Wesen auf dem Plattencover darstellen sollen, die man im Hintergrund sieht - ich dachte schon an Maulwürfe, das werden wohl Hasen sein
Hier wird aufgefahren was das Zeug hält - sehr intensive Vocals, riesige Klangteppiche , orchestrale Vollausleuchtung und Herzschmerz bis zum Abwinken - einzig und alleine die kleine Produktion limitiert hier und die gesampelten Instrumente könnten realistischer rüber kommen.
Sozusagen mit Pauken und Trompeten werden wir als Hörer aus dem Werk entlassen und mit einem Gong und Sturm schier aus der Rille geblasen.
Mittlerweile hörte ich das Werk mehr als ein halbes Dutzend Mal. Darüber eine Review zu verfassen ist keine leichte Aufgabe - denn es polarisiert in vielerlei Hinsicht.
In Foren lese ich immer wieder, daß die Leute unzufrieden sind, weil alte und bereits vorhandene Ideen stetig kopiert werden und wenig Innovation geliefert wird. Das verstehe ich durchaus.
Dieser oder Jener wird auch hier die Keule rausholen und jammern, daß Iron Maiden, Dio, Fates Warning und andere das doch alles schon mal fetter produziert durchzogen......... Und genau hier erhebe ich Einspruch, denn ich sehe in der Umsetzung von John Evermore reichlich Innovation - erstens Mal, weil er Elemente und Spielweisen von vielen verschiedenen Bands einfließen läßt und seine Stimme anpassen kann wie ein Chamäleon seine Farbe und zweitens mal mischt er innert eines Tracks wirklich unglaubliche viele Styles und Epochen in einem Song zusammen und verpaßt dem Ganzen auch noch ein sehr eigenständiges "Proberaum"-Soundgewand.
Während die Solos so in den 70er Jahren schon auf den Klampfen hätten komponiert werden können, so sind manche Verschachtelungen durchaus modern progressiv gestaltet und mit orchestralen Untermalungen versehen, die in diesem Metal/Prog-Metal und erst recht NwoBH Genre völlig untypisch sind und eher zu modernen Gothic Geschichten passen würden, wie Nightwish und andere das zelebrieren.
Es ist der Mix und das große Können von John Evermore, was mich hier beeindruckt . Es wird mehr Understatement betrieben und kein musikalisches Overacting. Diese Innovation werden viele Menschen im ersten Durchgang gar nicht mitkriegen, da man als Hörer nach typisch vordergründigen und bekannten Mustern sucht.
Die Musik hinter der Musik macht bei Evermore die Musik.
Rainbow und Queensryche, die die Promoinfo auch als Einflußfaktor angibt, sehe ich so weit eigentlich gar nicht involviert, allenfalls in leichten Ansätzen. Da müßte ich mich arg aus dem Fenster lehnen. Vom Handwerk kriege ich viel von den Iron Maiden der 80er und 90er Jahre mit auf den Weg und am stärksten empfinde ich Verwurzelung in die frühen Werke von Fates Warning. Stimmlich geht es zudem mehrmals in Richtung Dio. Und wie gesagt, von der Roughness und dem abgebrühten warmen Sound muß ich immer wieder an Blaze Bayley denken.
Ich denke, Diamonds Hadder ist sehr vielseitig und man wird bei jedem Hören neue Ansätze finden und sich an andere Interpreten und Styles erinnert fühlen.
Manchmal schmerzte es mich fast beim Hören, wie Stilumbrüche innert von Sekunden erfolgten. Bei Diamonds Hadder weiß man nicht automatisch im Vorfeld, wie ein Song weitergeht.
Extrem innovativ ausgeführt beispielsweise mit dem Intro, daß völlig außerhalb dem Rockbereich fischt und einen dann ins kalte Wasser und den puren Heavy Metal See reinschmeißt. Der Übergang und Stilbruch von 200 North in Long is the road gestaltet sich schon fast bahnbrechend mutig.
Ich kenne den ehemaligen Elektronik Entwickler Charly Warnke, er verwendete früher eine herrliche Signatur in seinen lehrreichen Forenbeiträgen: Es ist alles ganz einfach, solange man nicht tiefer hinterfragt.
Nach meiner Meinung war es wirklich ein Haufen Arbeit alle diese Verschachtelungen zu realisieren, die Herr Evermore präsentiert und ich verstehe seine Vorgehensweise sehr gut - daß in Personalunion umzusetzen, damit es so wird, wie es ist.
Auch ich hätte einige Dinge anders gemacht und Vorschläge unterbreitet und wäre an manchen Stellen der Produktion nicht einverstanden gewesen. Aber das sind Kleinigkeiten. Und so ein Projekt wird meistens von Kleinigkeiten ausgebremst und verläuft dann im Sande. Evermore machte irgendwann den Deckel zu. Und liefert ab.
Beispielsweise hätte ich noch etwas mehr versucht an einigen Chören zu feilen und die Sologitarren etwas moderner klingen lassen.........aber in erster Linie würde ich mir die Bass Drum vorknöpfen, die in schnellen Passagen gerne verwischt auf dem Album und dann eher breiig breit performt, als ob wäre sie mit Decken vollgestopft und die Mikrofone zu weit weg.
Das gibt der Musik andererseits aber diese warme und volle Blume und diesen authentischen Proberaumsound. Wer auf moderne Produktionen mit vollem Hochglanzsound und computeroptimierten Timing abfährt mit recht geringen DR - wird mit Evermores Werk nichts anfangen können. Kristallklare Produktionen findet man dann eher bei großen Labels wie Frontiers.
Diamonds Hadder ist intim, rough, verspielt, voller Herz und Schmerz und Hoffnung und tief in der Seelenebene verankert. Es ist traditionell und dennoch innovativ, es ist laut und brutal, aber auch besinnlich und nachdenklich.
Die Bassgitarre interpretiert und agiert in einigen Bereichen recht verquer insbesondere in der sechsten und siebten Minute von Master of Illusion - die Läufe sind wirklich "Live" und mit jeder Emotion festgehalten. Overdubfreie Zone.
Für ein Debüt aus meiner Sicht ganz großes Kino und ich durfte wieder mal einiges dazu lernen. Denn wie eine Zwiebel schält sich das Album bei jedem Hördurchgang ein wenig weiter frei.
Technisch (vom Spiel) hätte man es etwas besser umsetzen können, vor allen Dingen mit einem gescheiten Budget. Aber ob es dann das geblieben wäre, was es ist, ist fraglich.
Wer weiß, evtl. wäre es letzten Endes in Richtung Symphony X geschwommen
In unserer schnellebigen Zeit noch so etwas herauszubringen ist mutig. Geld ist sicher nicht der Grund dafür. Das macht man heute mit ganz anderer Musik und Inhalten.
Aus meinen Zeilen wird man lesen können, daß ich persönlich wirklich angetan und begeistert bin vom dem Kunstwerk. Dennoch kann ich nicht einfach zur Höchstwertung greifen, daß es einfach in Gänze Werke gibt, die mir mehr bieten und obendrein mit irrsinnig guter (und kostenintensiver)Produktion aufwarten. Hinzu kommen ganze Sammelsurien von Spitzenmusikern, die sich bei derarten Projekten zusammentummeln und teils Musikgeschichte schreiben.
Andererseits ist es schier unfair eine solch familiäre Produktion mit gewerblichen Großprojekten zu vergleichen und in das gleiche Punktesystem zu packen.
Hinzu kommt, daß Herr Evermore aus meiner Sicht wirklich begnadeter Sänger ist, der sich vor den ganz großen nicht verstecken muß.
Von mir gibt es eine klare Kaufempfehlung für Leute, die auf klassischen Heavy Metal und Prog Metal stehen.
Über die Aufnahmequalität läßt sich nicht meckern, das Mastering ist technisch perfekt ausgeführt - anbei ein Digicheck des Amazon Music unlimited Streams - der auf den worst Case mit 44,1 khz getätigt wurde.
Reichlich headroom und der Bassbereich geht runter in die 20 hz Gefilde (heute eher untypisch und mutig) . Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Track "Evermore". Für Rockmusik wurde das record sehr "analog"gehalten - alles was nerven könnte im Hochton wurde bedämpft. Im Prinzip auf gute alte Schallplatte getrimmt. Das Goniometer kommt in keinem Frequenzbereich auf Übersteuerungswerte und das Panorama und Phasenlage sind absolut in Ordnung. Wie gesagt, ich nahm das bei nur 16 Bit Tiefe ab (weil das nur so auf CD als Tonträger paßt)- man kann das Werk auch im besseren SACD Format auf 192 khz bei Amazon Music Unlimited genießen. Da kommt nochmal einiges Mehr an Luft und Durchhörbarkeit.
Trage ich nun alles zusammen , was ich über das Werk lernen durfte während meiner mehrtägigen Beschäftigung damit, so würde ich mich auf einer Bewertungsskala von 1-10 zu einer 9 durchringen. In den Erstdurchgängen hätte ich noch zur 8 tendiert - aber wie beschrieben - das Werk ist eine Zwiebel, die sich immer weiter frei schält.
Das ist dann auch ein Bereich, wo ich bereit bin mir den CD-Tonträger anzuschaffen, auch wenn der mit einem 192 khz stream in 24 bit als 16 bit Wav nicht mithalten kann - ich würde gerne das Booklet sehen und studieren.
Gesamtwertung: 9 von 10