01.09.2025, 17:06
Lieber Werner,
wahrscheinlich suche ich die Verantwortung immer zuerst bei mir, also beim Hörer und Konsumenten – und habe es dadurch vielleicht etwas zu einseitig gesehen. Gleichzeitig glaube ich, dass Hörer und Schaffende sich gegenseitig bedingen. Was du als Möglichkeit siehst, wirkt für mich eher wie ein Grund für die Belanglosigkeit.
Früher fragte ich mich, warum in Actionfilmen das Militär die Maßeinheit „Klicks“ benutzte. Heute denke ich mir: Das ist fast schon die kleinste messbare Einheit für Aufmerksamkeit. Das Militär meinte sicher etwas anderes, aber sinnbildlich passt es. Denn heute kann jeder eine hochwertig aufgenommene Aufnahme ins Netz stellen und der ganzen Welt zugänglich machen – und das geschieht millionenfach. Aber wie findet der Hörer dann noch das Kunstwerk?
Früher stach das Besondere heraus, es musste sich durch Widerstände behaupten. Heute bringt es der Algorithmus, und der bevorzugt nicht das Ungewöhnliche, sondern das Berechenbare. Auch der Kontext spielt eine große Rolle: Viele Alben, die ich als herausragend in Erinnerung habe, lebten nicht nur von der Musik, sondern vom Drumherum. Vom gemeinsamen Entdecken mit Freunden, vom Stöbern in Katalogen und Artikeln, von den Geschichten, die man hörte, von der Vorfreude auf die CD, vom aufwändig gestalteten Booklet. Allein die Tatsache, dass man die CD besaß, sie verleihen und kaum erwarten konnte, sie zurückzubekommen, machte einen Unterschied.
Ich denke, deine Biographie mit Mat Sinner und anderen füllt hier noch dickere Bücher. Das sind Dinge, die man nicht einfach mit einem Klick oder einem Like ersetzen kann.
Am Ende hast du sicher recht: Viele Bands gehen keine Risiken mehr ein und liefern eher Einheitsbrei. Aber dieser Einheitsbrei wird eben auch gegessen – und genau da sehe ich das Streaming als verstärkenden Faktor. Wer Musik für Millionen produziert, kann auf das Besondere kaum Rücksicht nehmen. Ein Gesetz, das für alle gilt, ist oft ungerecht für den Einzelnen. Maximale Allgemeinheit geht auf Kosten der Individualität – und genau das scheint mir eine Folge der Globalisierung, die untrennbar mit Vernetzung und Allverfügbarkeit verbunden ist. Streaming ist nur ein Symptom davon.
Ich möchte es nicht verdammen – ich nutze es selbst gerne. Aber ich habe den Eindruck, dass es fast zwangsläufig die Tendenz verstärkt, Belanglosigkeit massenhaft zu produzieren und das Besondere im Rauschen verschwinden zu lassen.
Jetzt aber genug der Abschweifung, ich denke wir werden uns da wohl nie ganz einig werden, vielleicht bin ich da auch zu pessimistisch. Zumindest teilen wir die Liebe zur Musik. Ich in sehnsüchtiger Melancholie und Du in leidenschaftlicher Hingabe
wahrscheinlich suche ich die Verantwortung immer zuerst bei mir, also beim Hörer und Konsumenten – und habe es dadurch vielleicht etwas zu einseitig gesehen. Gleichzeitig glaube ich, dass Hörer und Schaffende sich gegenseitig bedingen. Was du als Möglichkeit siehst, wirkt für mich eher wie ein Grund für die Belanglosigkeit.
Früher fragte ich mich, warum in Actionfilmen das Militär die Maßeinheit „Klicks“ benutzte. Heute denke ich mir: Das ist fast schon die kleinste messbare Einheit für Aufmerksamkeit. Das Militär meinte sicher etwas anderes, aber sinnbildlich passt es. Denn heute kann jeder eine hochwertig aufgenommene Aufnahme ins Netz stellen und der ganzen Welt zugänglich machen – und das geschieht millionenfach. Aber wie findet der Hörer dann noch das Kunstwerk?
Früher stach das Besondere heraus, es musste sich durch Widerstände behaupten. Heute bringt es der Algorithmus, und der bevorzugt nicht das Ungewöhnliche, sondern das Berechenbare. Auch der Kontext spielt eine große Rolle: Viele Alben, die ich als herausragend in Erinnerung habe, lebten nicht nur von der Musik, sondern vom Drumherum. Vom gemeinsamen Entdecken mit Freunden, vom Stöbern in Katalogen und Artikeln, von den Geschichten, die man hörte, von der Vorfreude auf die CD, vom aufwändig gestalteten Booklet. Allein die Tatsache, dass man die CD besaß, sie verleihen und kaum erwarten konnte, sie zurückzubekommen, machte einen Unterschied.
Ich denke, deine Biographie mit Mat Sinner und anderen füllt hier noch dickere Bücher. Das sind Dinge, die man nicht einfach mit einem Klick oder einem Like ersetzen kann.
Am Ende hast du sicher recht: Viele Bands gehen keine Risiken mehr ein und liefern eher Einheitsbrei. Aber dieser Einheitsbrei wird eben auch gegessen – und genau da sehe ich das Streaming als verstärkenden Faktor. Wer Musik für Millionen produziert, kann auf das Besondere kaum Rücksicht nehmen. Ein Gesetz, das für alle gilt, ist oft ungerecht für den Einzelnen. Maximale Allgemeinheit geht auf Kosten der Individualität – und genau das scheint mir eine Folge der Globalisierung, die untrennbar mit Vernetzung und Allverfügbarkeit verbunden ist. Streaming ist nur ein Symptom davon.
Ich möchte es nicht verdammen – ich nutze es selbst gerne. Aber ich habe den Eindruck, dass es fast zwangsläufig die Tendenz verstärkt, Belanglosigkeit massenhaft zu produzieren und das Besondere im Rauschen verschwinden zu lassen.
Jetzt aber genug der Abschweifung, ich denke wir werden uns da wohl nie ganz einig werden, vielleicht bin ich da auch zu pessimistisch. Zumindest teilen wir die Liebe zur Musik. Ich in sehnsüchtiger Melancholie und Du in leidenschaftlicher Hingabe
